Haare schneiden

Ich habe einen Termin bei einem ganz normalen Friseur. Ohne High End Preisliste und Geschnörkel link und rechts. Bis auf den Mops Hund - der gehört scheinbar wem. Es ist Ende Januar, es regnet seit drei Wochen, und ich bin mit dem Fahrrad durch den halben Stadtteil gefahren. Am Empfangstresen steht die „Service-Managerin“ und klickt wild in einem Laptop Model 1998, der den Friseur Mops Hund mit Sicherheit tödlich verletzen könnte, wenn er runterfallen würde. Sie findet mich in ihrem System und begrüßt mich mit „Hey, Eva, schön dass du da bist. Nimm doch schon mal Platz." Mir wird ein Getränk angeboten. Toll, denke ich mir. Ich freue mich über einen duftenden Kaffee und nehme zwischen einer zu blondierenden Frau mit Strähnchen und einer mit zu überfärbendem grauen Ansatz Platz. Die Ammoniak-Chemiekeule ätzt mir fast die Luftröhre weg, ich muss husten. Die „Service-Managerin“ bemerkt das sofort und kredenzt mir zum Kaffee sogar noch ein stilles Wasser. Sehr aufmerksam. Dann kommt meine Friseurin und fängt an, meine Haare zu schneiden.  Ohne waschen. Trockenschnitt ist einfacher mit der „Maschine“ - sagt sie. Auch gut, denke ich. Ist eh günstiger. Nach einigen Minuten ist sie fertig. Haare auf dem Umhang, Haare überall. Das ist mir bekannt und nehme ich in Kauf.  Was dann allerdings passiert, will nicht in mein Gehirn. Die Friseurin schnappt sich einen Fön und fängt an, wie wild im Uhrzeigersinn über und neben mir Haare durch die Luft zu fönen. Ich frage mich, ob der Deckenstuck vielleicht gerade frisch gestrichen wurde, kann aber kein Gerüst erspähen. Ich denke nicht weiter darüber nach und erhebe mich. Das Resultat lässt sich sehen und so nehme ich meine Tasche und will zur Kasse. Stop. Mein Latte Macchiato! Ich nehme einen großen Schluck und würge fast: In meinem Kaffee befinden sich Haare und ich kann nur hoffen, dass es ausschließlich meine sind! Ich sehe davon ab, mit meinem Wasser nach zu spülen. Der Reißverschluss meiner Tasche, die zu meinen Füßen stand, war offen, und jetzt suche ich zwischen 6 Wochen alten Haaren mein Geld. Hm, das Brötchen von der kleinen Konditorei um die Ecke kann ich wohl auch entsorgen. Es dämmert mir: Die Malerarbeiten an der Decke sind schuld, denn meine Haare waren zu keinem Zeitpunkt nass, um gefönt zu werden! Zu Hause angekommen habe ich das Bedürfnis, meine Wohnung und meine Handtasche auszusaugen. 

Eva Wagner