Notaufnahme
Freitag Abend, Garderobe im Krimi Theater. Der Kollegin geht es sehr schlecht. Man entscheidet, die Vorstellung abzusagen und die Kollegin in die Notaufnahme des Universitätsklinikums zu schicken. Selber etwas angeschlagen, gezeichnet von Augenringen und Ungestyltheit, biete ich mich an, sie zu begleiten. Schnell schaue ich in der Maske vorbei und tusche mir wenigstens noch die Wimpern, während wir aufs Taxi warten.
Beim Check In in der Notaufnahme bereue ich, dass ich “Bad Hair Day” habe. Wäre auf der Bühne unter der Perücke nicht aufgefallen. Den Pfiffi habe ich aber leider in der Eile nicht mitgenommen. Der Arzt im schicken blauen OP Kostüm bereitet uns auf eine lange Nacht im Warteraum 1 vor. Meine Kollegin bekommt ein selbstklebendes Armband mit Scan und ich frage mich, wo man damit einchecken kann. Die Begleitperson bekommt das nicht, aber eine Businesslounge kann ich auch nirgends entdecken. Gut, dass in meinem Stickpulli, den ich bei meiner Freundin Steffi vor dem Altkleidersack gerettet habe, wenigstens ein paar Pailletten glitzern. Die Scheinwerfer in der Wartelounge sind ausbaufähig, und dem Ingwertee in meiner Thermoskanne fehlt leider der Gin. Es gibt EINE Gala für ungefähr 13 Frauen, die noch lesen können, die anderen hängen über einem Eimer oder sind eher horizontal. Mein Pausenbrot, das ich für die Vorstellung geschmiert habe, ist längt aufgegessen und jetzt hätte ich Appetit auf Nachtisch. Bevor ich den Kühlschrank mit den schokohaltigen Snacks sehe, höre ich ihn. Karlsson vom Dachs Propeller ist Meditation gegen diese Krawallmaschine. Während ich überlege, ob ich kräftig dagegen treten sollte, um dem Ding den Garaus zu machen, wird Herr Özlimoglu samt Grossfamilie aufgerufen. Hallo! Wer bist denn DU? Denke ich mir, als der gut gut gutaussehende, diensthabende Internist die Neonlicht Disko betritt. Das gibts doch eigentlich nur auf Pro 7. Ich versuche schnell, meine Haare in Form zu bringen, was auch irgendwie niemand sieht. Ich frage meine zusehends abbauende Kollegin, ob sie ein eher internistisches oder doch ein neurologisches Problem hat und hoffe auf ersteres. Trotzdem checke ich vorsichtshalber schon mal die Busverbindung nach Hause, denn der Neurologe ist eher bucklig. Die Kollegin murmelt was von Internist und ich versuche, mich zu frisieren. Vielleicht gibt es zwei Internisten und wir bekommen den mit Bauchansatz und Achselschweiss ab.
Ich versorge uns mit Wasser aus dem Spender im Eingangsbereich, wobei ich darauf achte, dem Dosierrüssel mit dem Becher nicht zu nahe zu kommen. Schließlich bin ich ohne Magen-Darm-Grippe gekommen und möchte auch ohne gehen. Ich kehre mit einmal Zimmertemperatur still und noch einmal Zimmertemperatur still zu unseren Plätzen zurück. Mein Ellenbogen konnte das nicht präziser auswählen. Die Kollegin sucht derweil nach einer Spiegelfunktion in ihrem neuen Smartphone, da auch sie trotz Delirium mitgekriegt hat, dass der Internist sie eventuell gleich auszieht und untersucht. Also der ohne Bauchspeck. Ich erkläre ihr die Fotofunktion mit diesem Umkehrdings, wo man sich selber fotografieren kann. Ist ja wie ein Spiegel. Während sie zu posieren versucht, gehe ich aufs Klo, da hängt ja bestimmt ein Spiegel. Anschließend begleite ich sie mit in das Behandlungszimmer und bin Herr meiner Sinne und meiner Haare. Hopfen und Malz ist verloren. Warum gibt es keinen Automaten mit Kajal und Lippgloss! Grössenwahn ist jetzt fehl am Platze. Ich bin als alleinerziehende Mutter um jeden Ausgang am Abend froh. Heute ist es eben die Notaufnahme im UKE. In einer angesagten Hamburger Bar sehen die Ärzte auch nicht anders aus.
„Frau Petersen bitte!“ Ich springe auf, stütze meine Freundin und versuche halbwegs lässig und doch fürsorglich auszusehen, während der gut aussehende Dr. uns in ein Behandlungszimmer führt. Er untersucht meine Freundin irgendwie auf der falschen Seite und verweist schnell auf HNO und Neurologen. Dann ist er weg. Zack. Der Luftzug ist so stark, dass meine Frisur jetzt wenigstens sitzt.