Sylt
Wind von vorne. Regen von vorne oben unten. Von der Seite, von Norden und aus allen anderen Himmelsrichtungen auch. Und auch Sand! Sylt 1990. Ich erinnere mich an diese Fahrradtour von List nach- wohin eigentlich...irgendwas mit ..."um" hieß der Zielort. Rantum, Hörnum, Keitum...weiß der Geier. Auf jeden Fall ewig weit weg von dieser Scampi Bude ganz oben. Heulend versuchte ich auf meinem Fahrrad vorwärts zu kommen. Ich dachte, ich müsse auf dieser Kackinsel sterben. Mein Vater motivierte ununterbrochen: "Da drüben wird's hell", "gleich gibt´s Rückenwind", "komm, gleich sind wir da". Meine Jeans klebte so sehr am Oberschenkel, dass ich an der Innenseite der Oberschenkel schon erkennbare Schürfwunden von der Naht bekam. Ich war 12 und litt sehr.
Heute war ICH der Motivator, wohlwissentlich, dass ich totalen Stuss rede. Damals habe ich zumindest geglaubt, dass mein Vater wenigstens selbst von seinen positiven Blitzeinfällen überzeugt war, und ließ die mal so stehen.
Heute im strömenden Herbst-Regen-Sturm an der lautesten, hässlichsten, most abgasbelastetsten Strasse Hamburgs eine halbe Ewigkeit frierend im Dunkeln nach Hause zu laufen, weil der Arschbus nicht kommt, und diesen Gang als Frischluftspaziergang und Körperertüchtigung vor dem Zubettgehen zu verkaufen, gelang mir nur mäßig.
Irgendwann fing ich an, Kinderhüpfer zu machen, weil mir auf "Mama, ich frier" kein Ablenkungsmanöver einfiel. Ausserdem dachte ich selber, ich hätte links nur noch vier Zehen.
Toll, dass mein Papa zumindest versucht hat, aus Scheiße Rosinen zu machen. Ich übe noch. Habe noch maximal 11 Monate. Ich glaube, ab 7 kommen Kinder dahinter, dass Eltern doch nicht alles wissen. Oder leider doch früher.