Local Feeling in Berlin

Ich besuche Freunde in West-Berlin. Ein Freund der Freunde besucht die auch gerade, und so verbringen wir den Abend gemeinsam auf deren Balkon. Mein Bett steht in Ost-Berlin und ich berichte, dass ich später mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine Stunde dorthin brauche. Heiner, der Freund der Freunde, bietet mir an, mich bis Mitte mitzunehmen. Großartig finde ich das. Später steige ich in seinen 3er BMW-Cabrio, den er ganz neu hat. Ich bin unbeeindruckt und wäre ebenso in ein Seat Ibiza gestiegen. Wir fahren los. Es wird lässig mit einer Hand gelenkt, mit der anderen "gepost". 

Mein Rock ist leider so kurz, dass meine schwitzigen Oberschenkel auf den Ledersitzen quietschen. Ich traue mich kaum, mich zu bewegen und klemme was das Zeug hält. Kann man da eigentlich den Echtheits-Quietschtest machen? Kunstleder quietscht, echtes Leder nicht oder umgekehrt? In "Mitte" weist er mich auf seine Straße hin. Ich: "Ja, schön hier." Er erwidert, dass man hier echt “Local Feeling” hat. Und weil das feeling grad so nice ist, fährt er einfach noch bis Prenzlauer Berg. Ich finds voll gut, weiß aber nicht, wie ich später aus der Nummer raus komme. Er berichtet weiter von seiner Homebase „Mitte“. Auch die View dort sei großartig wenn man am Schaalsee chillt. Alte Villen rundherum. Zum Schampus trinken optimal.

Das Navi redet mit Heiner. In 600 meters turn right to Hosmänstreet oder Rolkistreet- genannt Hosemannstraße oder Roelckestrasse. Ohne Navi käme er in Berlin noch nicht zurecht sagt er. Er wohne erst seit zwei Jahren hier. Auf meinen Hinweis, das Gerät doch einfach auf "Deutsch" zu stellen, um die Frau zu verstehen, lacht Heiner und sagt:" Ja, haha, aber das ist Google Maps und die spricht das eben so aus!" Aha. Verstehe ich nicht. Wir fahren weiter. Falls das fehlende Cabrio-Dach mein Styling ruiniert, könne ich diverse Knöpfe drücken, um Scheiben und irgendwelche Klappen im Heck auszufahren, erklärt er mir. Welches Styling. Wir haben 0:00 Uhr und noch immer 32 Grad. Mein Make Up, welches heute für ein achtstündiges Fotoshooting, das vor vier Stunden zu Ende ging, kunstvoll in mein Gesicht designt wurde, ist mit meinem Schweiß längst eins geworden und die Reste im Fahrtwind angetrocknet. Ich bin auch mit meinem Styling vollends zufrieden, das ich lediglich noch meinem Kopfkissenbezug präsentieren werde.

Im Osten der Stadt angekommen, klettere ich aus dem chicen Cabrio und habe längst aufgegeben zu verbergen, dass mein Rock kurz ist. Wahrscheinlich war doch die Sitzheizung an. Heiner floskelt noch was von Wiedersehen und bald ne Party und Champagner und…ich bin schon auf dem Weg ins Hinterhaus, wo mich meine Freunde beherbergen, die mit mir sicher noch ein Bierchen aus der Flasche trinken.

Eva Wagner