Im Apple Store
Im Apple Store sitze ich im Erdgeschoss ganz hinten an den „Meeting Tischen“ und nehme an einem kostenlosen Workshop teil, den Apple den Usern anbietet, wenn die nicht wissen, wie´s geht - oder wenn man nicht mit einen Apple Chip im Hirn auf die Welt gekommen ist. Der Workshop heißt ITunes. Eigentlich bin ich nur sitzen geblieben, weil ich zuvor einen ICloud Workshop hatte - könnte ich jetzt behaupten. Ich weiß ja schon alles, nehme das hier einfach kostenlos mit. Ich wurschtel mich seit Monaten ganz zufrieden durch die Apfelwelt und bin sehr froh, da jetzt heute einen kompetenten, wenn auch extrem jungen und recht überheblichen Ansprechpartner zu haben, der mir den ein oder anderen Kniff zeigen kann.
Versucht lässig klettere ich auf den urgemütlichen Barhocker, für dessen Erklimmen ich fast einem Tritt benötige. Ich packe alles von Apple auf den Tisch, was ich besitze. Egal, um welche Geräte es geht, das macht Eindruck. Bei mir ist es das I Phone Modell 1 oder das davor und das dazugehörige Ladegerät. Neben mir sitzt Ursel, die noch weniger weiß als ich. Sie hat ihre Lesebrille auf dem Tisch. Relativ sympathisch wirkend, jedoch sehr nah neben mir, fragt sie mich Dinge, die ich nicht beantworten kann, und kommt gefährlich nah. Ich kann nicht wegrücken, dann müsste ich vom Hocker klettern. Ich wünschte, meine Pfefferminzbonbons in der Hosentasche zu haben, um ihr einen anzubieten. Allein der Gedanke, die Dose unter dem großen Tisch zu suchen, scheitert. Ich falle fast vom Hocker und verliere den Anschluss des Vortrags. Daher ertrage ich lieber den Geruch von rechts. In der Schule hab ich in Datenverarbeitung auch immer Tina gefragt, während der Lehrer weitererklärt hat. Das hatte zur Konsequenz, dass weder Tina noch ich mitbekommen haben, was nun Sache ist, und wir wegen Ruhestörung rausgeflogen sind. Leider gab es damals für unsere Zwangspause nicht einmal einen Schulkiosk oder die Raucherecke in erreichbarer Nähe. Ich hoffe auch, dass Tina wegen mir in Gedanken nie nach Pfeffis im Rucksack gesucht hat.
Gegenüber von Ursel und mir arrangiert sich eine Dame auf dem Barhocker, deren Namen ich nicht kenne und die sich zu Hause mit ihrem Mann schon ein bisschen mit der Materie auseinandergesetzt hat. Der Fragenkatalog liegt neben ihr und sobald der Workshopleiter den WS startet und seine drei hippen Geräte hochfährt, hebt sie auch schon den Finger und bombardiert ihn mit Fragen.
Ich bin damit beschäftigt, die Bildschirme meinem Hirn anzupassen, das nicht hinterherkommt. Möchte nicht wissen, was Ursel denkt- wenn die überhaupt noch dabei ist. Sie spielt mittlerweile Solitär. Wo hat die das denn her? Hab ich auf meinem Mac noch nicht gefunden.
„Beim Tablett ist die Menüleiste oben, beim Iphone unten und beim Ipod verborgen. Ich sortiere. Ursel spielt, die Dame vis a vis hebt unentwegt ihren Finger.
Ich habe schrecklichen Durst, traue mich aber nicht, jetzt unter den Tisch zu kriechen, um meine Flasche zu suchen. Mein Akku meldet, dass er sich aufladen möchte und ich frage „The Brain“, ob ich meinen Rechner hier am Tisch laden könne. Überall aus der Tischmitte ragen fein sortiert Ladestrippen raus und laden zum Aufladen ein. „The Brain“ schaut sich den Stecker an und sagt: „Nee, der ist alt. Äh, ich könnte meinen Kollegen am Tresen mal fragen, ob wir noch irgendwo hinten ein Ladekabel haben.“ Dann referiert er weiter und fragt seinen Kollegen gar nicht. Mein Batteriestatus macht mir Sorgen, wenn ich hier heute noch was lernen will und ich fühle mich wie ein Kind, das nach Fernsehen fragt: “Äh, sorry… nochmal wegen des Kabels…“
„Ach ja“. Er funkt durch sein Headset seine blutjunge Kollegin mit Cappi auf dem Kopf an, die kommt und sich sein Anliegen anhört. Sie guckt mitleidig zu mir rüber und verschwindet, um nach wenigen Minuten mit der Nachricht: „Sorry, das ist ja noch ein alter Anschluss, den haben wir nicht mehr da!“ wieder abzurauschen.
Irgendeiner, der vor Workshopüberforderung bereits seine Urlaubsfotos sortiert, hat mein Kabelelend mitbekommen und reicht mir seins. Es passt.
Die Lehrstunde neigt sich dem Ende und ich packe meinen Mac in eine unstylische Neoprenhülle. Ich fühle mich dumm und altmodisch. Wie gut, dass ich meine braune Kordhose mit den Herzflicken aus rotem Leder auf den Knien heute nicht angezogen habe. Jetzt fahre ich mit dem Fahrrad nach Hause und höre zu Hause eine schöne Kassette. Ich habe: “Die Geige vom Meeresgrund”, “Karlsson vom Dach” oder “Bummi und Fiete” - die eiert kurz vor Ende von Seite 1. Das stört mich nicht, solange sich der Bandsalat mit einem Bleistift noch gut beheben lässt. Ich weiss genau, wann die Stelle kommt und freu mich fast drauf.