Waschmaschinen
Vom Einkaufen zurück, bemerke ich beim Betreten der Wohnung einen Schmor-Geruch und erkenne sofort: Es ist nicht das Rührei, welches von mir (gedanklich) in Auftrag gegeben wurde. Ich ahne Schlimmes und gehe der Nase nach ins Bad, wo die Waschmaschine Osterfeuer spielt. Es stinkt nach verschmortem Kabel. Die Backstreet Boys singen nicht und ich habe auch vor dem Aufbruch zum Supermarkt keine Nebelmaschine im Bad aufgestellt. Alles Zureden nützt nichts. Ich suche nach dem nicht vorhandenen Stöpsel im Fußboden, ziehe dann erst meine Socken aus und heule erstmal. Nachdem ich Lewe auf unserem Badezimmerfußboden das Silberabzeichen abgenommen habe, überlege ich mir, welcher Fußbodenbelag mir eigentlich ganz gut gefallen könnte. Dann bringe ich die in trüber Brühe schwimmende Wäsche zu den Nachbarn, die mir SOS-mäßig sofort einen Waschgang und einen Sekt anbieten. Corona-Abstandsregeln werden selbstverständlich befolgt. Wovon ich nicht Abstand nehmen kann ist, mir zügig eine neue Waschmaschine zu kaufen - eventuell mit passendem Fußboden. Das entscheide ich zu einem späteren Zeitpunkt.
Ich setze mich damit auseinander, dass ich eine bestellen muss. Beratung fällt also aus. Ich arbeite mich selber in die Materie ein. Es gibt vom Hersteller meines Vertrauens sechs Modelle für den gleichen Preis bei gleicher Leistung. Excel Tabellen konnte ich noch nie erstellen, ohne dass alles verrutscht, was hier fatal wäre. Deshalb muss ich mir die technischen Daten alle merken. Puh. Ich entscheide schließlich wie beim Schuhkauf nach Optik: Ich nehme die mit dem schönsten Bullauge. Da entdecke ich beim Preisvergleich aller Händler einen wichtigen Hinweis: Die liefern nur bis zur Haus- oder Wohnungstür. Auf was bezieht sich das „oder“?
Ich esse erst einmal sieben von den acht Rumkugeln, die ich meiner Freundin zum Geburtstag selbstgemacht habe, denn Frustschokolade und Schnaps sind ja zwei Verzehrvorgänge. Ich hoffe, sie versteht das. Ich habe ja noch die hübsche Geburtstagskarte.
Dann lese ich noch einmal den Hinweis des Elektrofachhandels: „Aufgrund der aktuellen Situation kann die Ware nur an die Wohnungs- oder Haustür geliefert werden. Eine Altgerätemitnahme erfolgt nur, wenn Sie das Altgerät vor Ihre Wohnungs- oder Haustür stellen können.“
Hilfe könnte ich legal entweder von meinem in meiner häuslichen Bedarfsgemeinschaft lebenden Sohn, 8 Jahre, bekommen, oder ich frage Major Nelson, ob er mir seine bezaubernde Jeannie ausleiht. Da diese leider in ihrer Flasche sitzt und nicht auf meine Anfrage reagiert, sehe ich mich gezwungen, die Nachbarn M. und C. zu bitten, mir das Brandopfer vor die Haustür auf den Bürgersteig zu stellen, obwohl sie meine Wohnung eigentlich nicht betreten dürfen.
Ein blauer Lieferwagen mit polnischem Kennzeichen hält wenige Stunden später mit laufendem Motor von unserer Haustür und lädt das defekte Gerät ein. Das Kind winkt am Fenster und ruft „daaanke für´s Entsorgen!“ Auch gut. Dann muss der Markt für Medien wo ich bestellt habe, die nicht entsorgen.
Ich verstehe die Vorsichtsmaßnahmen. Die Waschmaschinen - Händler müssen sich und ihre Mitarbeiter absichern und wollen niemanden in Gefahr bringen. Aber ich stehe da nicht im Weg. Ich gehe bei Lieferung gerne mit meinen Weinbrandbohnen auf den Balkon. Den Montage-Service können sie mir momentan leider nicht bieten. Das bekomme ich hin. Wie kriege ich aber die alte vor die Wohnungs- ODER Haustür und die neue an ihren Platz im Bad? Wer definiert eigentlich im Elektrofachhandel das ODER? Ich muss da anrufen und mir das ODER erklären lassen. Im Kreuzworträtsel würde ich sagen: „Ist ein Fluss“. In diesem Kontext würde ich „unüberbrückbare Differenz“ eintragen.
Ok, ich überlege mal. Bei Personen, die nicht in meinem Haushalt leben, muss ein Corona-Sicherheitsabstand von 1,50 m eingehalten werden. Ob die einen Elefanten mitliefern, der mir das Ding in die Wohnung trägt?
Lewe bekommt ab morgen zum täglichen Home-Schooling einfach zusätzlich noch Langhantel-Training, damit unsere Bedarfsgemeinschaft nach Ostern wieder frische Socken im Schrank hat. Den Liefertermin habe ich online klar gemacht. Zwischen 8:00 und 14:00 Uhr. Ich bin zu Hause. Falls ich niemanden finde, der mit mir das Ding in meine Wohnung trägt, finde ich hoffentlich jemanden, der mir ein Bier an die Haustür bringt. Ich sitze vor Nummer 11 auf der mit dem schönsten Bullauge in Styropor oder Luftpolsterfolie eingewickelten Waschmaschine und harre so lange aus, bis Jeannie ans Telefon geht und bevor der blaue Lieferwagen wiederkommt…