Bet-Teppich und Brandschutz

Ich telefoniere mit meiner Freundin Irene. Wir sind beide ausgebildete Schauspielerinnen und können unseren Kindern gut Schulbrote schmieren und Windpocken bekämpfen. Wir arbeiten beide einige Stunden in der Woche freiberuflich an Grundschulen. Irene gibt Theaterkurse, ich unterrichte Yoga.

Es ist herrlich zu erfahren, welche neuen Kompetenzen Irene an ihrer Schule über Nacht erworben hat oder plötzlich von dieser übertragen bekommt. Aufgaben, die sonst niemand machen will, greift sie sich gekonnt ab. Ihre Schule bietet eine große Bandbreite an Unterrichtsfächern als Vertretung an. Ursprünglich hat Irene auf der katholischen Grundschule im bayerischen Hintertupfing an der Knatter mal angefangen, dort einen wöchentlichen Theaterkurs zu unterrichten. Das fällt durchaus in den Kompetenzbereich einer Schauspielerin - sofern wie bei ihr ein gewisses theaterpädagogisches Talent vorhanden ist. Ich höre gebannt zu, welche berufliche Leiter sie zusätzlich zum Theaterkurs noch so erklimmt. In ihrer Schule gibt es eine Bringe-Zeit, die an der Schule ganze 60 Minuten dauert. Man bringt das Kind zwischen 8:00 und 9:00 Uhr - je nachdem wie das Kind sich heute so fühlt. Oder die Mutti hat heute morgen einfach ein bisschen Entschleunigung gewählt. Irene bekam die Anfrage, ob sie diese Stunde am Morgen dreimal wöchentlich übernehmen könne. „Ja freilich“ jubelt meine schlaue Freundin. Kohle einsacken und das Gehirn kann weiter knacken. Ist ja schließlich nicht so viel zu tun, wenn man dem Maximilian bei Ankunft einen guten Morgen wünscht und weiter zur Legokiste schickt, in der der Leopold bereits wühlt. Weil das gut läuft, bedachte man Irene gleich zwei Wochen später mit einer etwas aktiveren Aufgabe. Das Angebot kam ohne lange Vorwarnung: Auf die Plätze fertig los: Sportstunde in der 3a.  Irene wäre nicht Irene, wenn sie da nicht direkt einen guten Plan mit ihrem Komplizen, Sohn Tito, 9 Jahre alt, ausgeheckt hätte. Dieser wurde mit ins Boot geholt und verdient sich jetzt was dazu, indem er den Sportstoff des Unterrichtes seiner eigenen Klasse der Mutter für 5€ weiter verkauft. Gewieftes Team die zwei. Irene unterrichtet seitdem nun auch Sport. Ich höre mir das neidlos an und staune: „Toll, Irene. Andere studieren bis zum Erbrechen Erziehungswissenschaften, Pädagogik oder machen vier Jahre eine Erzieherausbildung. Du machst lediglich eine Fortbildung am Vertretungsplan. Sie erzählt noch ein bißchen „Fallbeispiele“ und ich weiß auf die Frage, was man mit Nervkindern macht auch keine richtige Antwort, will sie aber nicht ohne Rat hängen lassen: „Ich schmeiß’ die immer raus. Kann doch nicht sein, dass irgend so´n Peter alle nervt. Ich stelle den ggf. vor die Tür und hoffe, dass der später auch noch da steht.“ „Im Ernst? Das darfst du nicht machen, du kommst in Teufels Küche! Wenn die dann was anstellen oder stiften gehen, bist Du dran!“ Ach. Ich habe keine Ahnung. Ich habe nicht einmal freiwillig was dazu gelesen. Ich weiß nur, dass die in der Masse ständig pupsen und dann war´s keiner. Da sag ich auf jeden Fall was und weiß auch, dass ich richtig handele, wenn ich das Fenster aufreiße. Irene hingegen berichtet und berichtet und ich habe das Gefühlt, dass sie schon eine richtige Lehrerin ist. Am Ende wird sie noch verbeamtet- wer weiß!

Die katholische Schule macht auf mich Endruck- zumal sie berichtet, dass das Gebäude uralt und in gotischem Stil erbaut ist. Leider hat im zweiten Obergeschoss mit dem Brandschutz was nicht hingehauen. Da sind zu viele Schüler für zu wenig Fluchtwege oder so ähnlich. Baulich aber nicht zu ändern. Da hatte die Behörde (eine von denen) eine super Idee: Die haben einfach einen Brandschutzbeauftragten dorthin beordert, der da jetzt Schmiere steht. Er hat einen wirklich schönen Arbeitsplatz auf dem Flur und seine Aufgabe ist recht übersichtlich. Er wartet auf ein Feuer und wenn es keins gibt, hat er frei mit Anwesenheitspflicht. Der Brandschutzbeauftragte der katholischen Schule ist Moslem und betet mehrmals täglich gen Mekka. Den dafür eigens mitgebrachten Gebetsteppich rollt er dann im Flur zwischen der 2a und der 2b aus. Das gefällt der Mutter von Lotte nicht so gut. Die unterrichtet an der Schule „Streitschlichter“ als Neigungskurs. Irene sagt, dass sie sich sonst zu Hause vom Geschirrspüler auf- und zumachen langweilt. Keiner weiß so richtig, wie sich das jetzt zwischen der Geschirrspüler-Mutter und dem Teppichheini entwickelt, deshalb macht Irene prophylaktisch zur Zeit einen Volkshochschulkurs „Konflikte richtig meistern“, damit sie den Kurs von Lottes Mutter theoretisch sofort übernehmen kann, weil die schon angekündigt hat, dass sie ihr Kind von der Schule nimmt und selber dann auch nicht mehr da arbeiten will.

 

Eva Wagner